Kann Climate Tech Europa resilienter machen?

„Veronika, die Resilienz ist da.“ Bevor wir in Europa unbeschwert losträllern können, gibt es noch einiges zu tun. Das sieht auch der Berliner World Fund so, einer der führenden Venture-Capital-Fonds Europas. In seinem Whitepaper „THE IMPORTANCE OF CLIMATE TECH FOR EUROPEAN RESILIENCE“ (die Großbuchstaben schreien die Dringlichkeit geradezu heraus) analysieren die Wagniskapitalgeber, wie Europa seine Wettbewerbsfähigkeit sichern und gleichzeitig resilienter werden kann. Eine wichtige Frage, gerade vor dem Hintergrund geopolitischer Verschiebungen und globaler Unsicherheit. In diesem Artikel schauen wir uns das Whitepaper genauer an.
Der World Fund identifiziert vier zentrale Bereiche für Europas Resilienz:
- Energie
- Ernährung, Landwirtschaft und Landnutzung
- Frontier Tech (Zukunftstechnologien)
- Rohstoffe
Am Ende überlegen die Berliner, wie diese Bereiche mit dem Thema Verteidigung und Resilienz zusammenhängen und kombiniert werden könnten.
Vorgeschichte: Europas verpasste Chancen
Laut World Fund hat Europa in den vergangenen Jahrzehnten einige Chancen im Bereich erneuerbare Energien verpasst. Deutschland etwa habe seine Führungsrolle leichtfertig verspielt: Das EEG war einst wegweisend und wurde von über 80 Ländern adaptiert, die deutsche Solarindustrie beschäftigte bis zu 400.000 Menschen. Permanenter Lobbydruck führte zu schwächeren Anreizen und schließlich zum Zusammenbruch und Ausverkauf der Branche (inklusive der Patente!) nach Südkorea und vor allem China.
Ein Jahrzehnt später wuchsen die Erneuerbaren Energien zwar wieder stärker, doch die Produkte kamen diesmal aus
China, das heute
86 % der Photovoltaik-Importe stellt und die Wertschöpfungskette quasi nach Belieben dominiert. Ähnlich lief es auch bei
Windenergie und
E-Mobilität, wo Deutschland seine ursprünglich sehr gute Position unnötigerweise verloren hat.
Status Quo: Europa hat noch nicht fertig!
Doch Europa hat noch immer großes Potenzial: Dank seiner starken Forschungs- und Hochschullandschaft ist der alte Kontinent in vielen Bereichen noch immer ganz vorn mit dabei. Dazu zählen z.B. Batterien, Batterie-Recycling, E-Luftfahrt, Wärmepumpen, Gebäudesanierung, Gebäudeenergiemanagement, Biomethan oder Direct Air Capture.
Climate Tech ist für Europa die große Chance, gesellschaftlich und wirtschaftlich resilienter zu werden. Noch immer existieren in Europa mehr als doppelt so viele Climate-Tech-Startups wie in den USA (30.000 gegenüber 14.300). Das Problem: Die Finanzierung reicht bei weitem nicht aus, was die Kommerzialisierung und Skalierung erschwert.
Die Finanzierungslücke ist eklatant: Venture-Capital-Investitionen lagen in Europa zwischen 2013 und 2023 bei nur 0,2 % des BIP, in den USA hingegen bei 0,7 %. Für den World Fund ist klar: Wenn Europa verhindern will, dass sich seine Startups auf der Suche nach Kapitalgebern in geopolitisch schwierige Gewässer begeben, muss es für mehr Investitionen sorgen.
Resilienz in Europa: Der Weg führt über Climate Tech
Die
NATO definiert
sieben Grundanforderungen für Resilienz:
- "Sicherstellung der Kontinuität der Regierung und kritischer Regierungsdienste
- widerstandsfähige Energieversorgung
- Fähigkeit, effektiv mit der unkontrollierten Bewegung von Menschen umzugehen
- widerstandsfähige Nahrungsmittel- und Wasserressourcen
- Fähigkeit, mit einer großen Anzahl von Opfern umzugehen
- belastbare Kommunikationssysteme
- belastbare Transportsysteme"
Die EU versteht unter Resilienz zudem die nachhaltige, faire und inklusive Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft. Kurz: Resilienz bedeutet, mehr als nur Krisen zu überstehen. Widerstandsfähig sein heißt also auch, sich aktiv weiterzuentwickeln.
Die liberale Weltordnung unter Führung der USA galt in Europa lange als selbstverständlich. Während China in den letzten Jahrzehnten eine Art “Kriegsökonomie” aufbaute und sich kritische Industrien für die eigenen Wertschöpfungsketten sicherte, nutzte Russland die Energieabhängigkeit Europas zu seinen Gunsten. Diese Beispiele zeigen: Resilienz, insbesondere im Energiesektor, ist untrennbar mit nationaler Sicherheit verbunden.
Laut World Fund steht Europa an einem Wendepunkt: Es muss dringend die richtigen politischen Rahmenbedingungen schaffen, Investitionen erleichtern und private Investoren einbinden. Die Aufgabe ist riesig: Um die EU-2030-Ziele zu erreichen, braucht es Investitionen von etwa 800 Milliarden Euro pro Jahr.
Europäische Resilienz stärken: Vier gewinnt
Europa hat es momentan nicht leicht: Interne Interessenkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten bremsen gemeinsame Ansätze (ok, nichts Neues…), während China, Russland und neuerdings auch die USA Europa unter Druck setzen und innergemeinschaftliche Spannungen strategisch ausnutzen. Trotz allem könnte Europa seine Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit enorm verbessern. Der Fokus sollte auf den Sektoren liegen, in denen China noch nicht führend ist.
Die Analysten des World Funds identifizieren die Bereiche Energie, Ernährung, Frontier Tech und Rohstoffe als Gebiete, auf denen Europa gleich mehrere Ziele auf einmal erreichen kann: Dekarbonisierung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit sowie Sicherheit.
1. Energie
Durch Dekarbonisierung stärkt Europa seine Autonomie und Resilienz: Sie reduziert Emissionen, senkt Energiekosten und verringert Energieabhängigkeit. Zudem verfügt Europa über herausragende Patente in nachhaltigen Technologien, vor allem bei ausgereiften EE-Systemen und Batteriespeichern.
Die Empfehlungen des World Funds:
- Stromnetze modernisieren, Microgrids ausbauen, digitale dezentrale Energiesysteme schaffen
- Flexible Batteriespeicher weiterentwickeln und skalieren
- Neue Energieträger wie Ammoniak und Wasserstoff vorantreiben
2. Ernährung & Landwirtschaft
Sojabohnen, Stickstoffdünger, Phosphate oder Kalium – bei diesen und vielen weiteren Agrarprodukten ist die EU stark abhängig von Importen. Gleichzeitig drücken klimatische Veränderungen und Krankheiten die Erntemengen und stören die Lieferketten. Europa könnte seine Ernährungssicherheit durch den Fokus auf regenerative, lokale Produktion sowie technologische Innovationen stärken.
Die Empfehlungen des World Funds:
- EU-Novel-Foods-Regulierung anpassen, um Entwicklung von alternativen Proteinen zu erleichtern
- Regenerative Landwirtschaftsmethoden und klimaresiliente Sorten weiterentwickeln
- Importabhängigkeit durch Fokus auf lokale Lieferketten und Biodüngemittel reduzieren

3. Frontier Tech
Bei Zukunftstechnologien wie AI, Biotech, Fusionsenergie, E-Luftfahrt, Quantencomputing und Weltraumtechnik hat Europa enormes Potenzial. Während man in Forschung und Entwicklung noch Weltspitze ist, sind die Kommerzialisierung und Skalierung neuer Technologien stark ausbaufähig. Nur wenn Europa hier besser wird, lassen sich riskante Abhängigkeiten minimieren und die Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Die Empfehlungen des World Funds:
- Resilienzkriterien für die Beschaffung einführen
- Finanzierungshürden abbauen und faire Märkte mit “level playing field” schaffen
4. Rohstoffe
Der Zugang zu kritischen Materialien ist nicht nur für die Climate-Tech-Branche unverzichtbar, sondern auch für die strategische Autonomie und Resilienz Europas. Gerade bei seltenen Erden, Graphit und Kobalt ist Europa derzeit stark von China abhängig – ein Sicherheitsrisiko in Zeiten geopolitischer Spannungen.
Die Empfehlungen des World Funds:
- Lokale Produktion fördern und Importbedarf reduzieren
- Durch smarte “Resource Diplomacy” die eigenen Importquellen diversifizieren und die Versorgung sichern
- Kreislaufwirtschaft vorantreiben: Rohstoffe länger nutzen und wiederverwenden

Verteidigung: Mehr Resilienz durch Dual-Use?
Verteidigung ist kein isoliertes Thema, sondern betrifft immer auch Bereiche wie Energie, Ernährung, Rohstoffe und Zukunftstechnologien. Nachhaltigkeit und Resilienz sind dabei kein Widerspruch – ganz im Gegenteil: Sie verstärken sich gegenseitig!
Eine regenerative, dezentrale Energieversorgung würde den Energiebedarf senken und wäre weit weniger anfällig für äußere Schocks. AI und Quantumcomputing könnten kritische Infrastrukturen und Systeme besser schützen und landwirtschaftliche Innovationen die europäische Versorgungssicherheit in Krisenfällen sichern.
Die Empfehlungen des World Funds:
- Dual-Use-Technologien fördern: zivile Innovationen stärken Sicherheit – und umgekehrt
- fragmentierte EU-Verteidigungsindustrie zusammenführen und durch gemeinsame Beschaffung effizienter werden
- Deutlich mehr Kapital mobilisieren, insbesondere Wagniskapital (in den USA teilweise bis zu 100x höher)
- Regulatorischen Rückenwind nutzen, um Investitionen voranzutreiben
So würde Verteidigung zur integrativen Klammer: Sie stärkt die Nachhaltigkeit, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit Europas.
Fazit: Europas Jetzt-oder-nie-Moment?
Das Whitepaper des World Funds legt den Finger in die Wunde(n): Europa steht vor großen Aufgaben, hat aber (noch) die Chance, seinen Kurs zu korrigieren. Massive Investitionen und gezielte regulatorische Maßnahmen sind nötig, damit der alte Kontinent in einigen Jahren nicht wirklich richtig alt aussieht. Das Wissen, das Kapital und die Technologien sind da – der Wille auch?!
Lennard
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