Eine Stromtrasse für die Energiewende

Wewelsfleth. Eine kleine Gemeinde im Kreis Steinburg in Schleswig-Holstein. Einige Kilometer weiter verliert sich die Elbe in der Nordsee. Beginnt hier eine neue Ära der deutschen Energieversorgung? Kommt die Energiewende hier ins Fließen? Am 11. September 2023 erfolgte in Wewelsfleth jedenfalls der offizielle Spatenstich für die Stromtrasse Südlink – eines der umstrittensten Projekte der Energiewende.


Was ist Südlink?


Südlink ist eine geplante Hochspannungsleitung zwischen Schleswig-Holstein und Bayern sowie Baden-Württemberg. Die Trasse soll Windstrom aus dem Norden in den “energiehungrigen” Süden Deutschlands schicken.


Südlink: Der Hintergrund


Deutschland braucht Strom, und zwar jede Menge! Laut der Bundesregierung wird der Strombedarf Deutschlands von
560 TWh im Jahr 2021 auf etwa 750 TWh im Jahr 2030 steigen. Erneuerbare Energien wie Wind und Solar sollen fossile Quellen ersetzen – so schnell es geht.


Seine mehr oder weniger verlässliche “steife Brise”
prädestiniert den Norden für die Windkraft. Gleichzeitig ist Windstrom im Süden der Republik meist knapper als Sitzplätze im Oktoberfestzelt. An windreichen Tagen könnte Windenergie schon jetzt einen beträchtlichen Teil des Gesamtbedarfs Deutschlands abdecken. Doch das Stromnetz versaut die Party.


Netzstabilität: Nicht zu viel Wind machen?


Das bestehende Netz und die Volatilität der Windenergie sorgen dafür, dass das Potenzial der Windenergie noch längst nicht ausgenutzt wird.


Der Wind weht mal stärker und mal schwächer. Entsprechend schicken Windkraftanlagen
je nach Witterung, Tageszeit und Jahreszeit unterschiedliche Strommengen ins Netz.


Dieses Netz aber braucht
Gleichmäßigkeit. Erzeugung und Verbrauch müssen ungefähr im Gleichgewicht sein. Es muss eine bestimmte Frequenz (50 Hertz) gehalten werden.


Außergewöhnlich hohe Strommengen kann das bestehende Netz nicht aufnehmen, auch, weil
Speicherkapazitäten fehlen.


Die Konsequenz:


Bei Überproduktion drosseln zunächst die
konventionellen Kraftwerke (Kohle und Gas) die Stromproduktion. Reicht das nicht aus, werden Windkraftanlagen vorübergehend abgeschaltet, um die Netzstabilität zu gewährleisten.


Das ist übrigens auch die (Teil-)Antwort auf die Frage:


“Warum stehen so viele Windräder still, obwohl der Wind weht?”.


Konventionelle Kraftwerke drosseln in diesem Fall ihre Produktion. Wenn dann Wind und Sonne immer noch zu viel Strom liefern, müssen die Stromproduzenten den Überschuss kostenlos abgeben
oder sogar dafür bezahlen, um Abnehmer an der Strombörse zu finden.

Windräder auf einem Feld

Bei einer Überproduktion ist aber nicht nur die Netzstabilität in Gefahr:


Der Strompreis fällt - immer öfter sogar in den negativen Bereich. Dann müssten die Windparkbetreiber draufzahlen, um ihren Strom einzuspeisen.
Die ökonomisch logische Reaktion: Die Netzbetreiber nehmen die Anlagen vom Netz. Sie erhalten die Ausfallkosten erstattet - vom Verbraucher. Dieser zahlt die Kosten in Form des Netzentgelts auf seiner Stromrechnung.


Andersherum müssen konventionelle Kraftwerke einspringen, wenn Sonne und Wind zu wenig Strom liefern. Die
Residuallast ist der Anteil am Stromverbrauch, der nicht von den meist volatilen erneuerbaren Energieträgern getragen wird. Noch wird dieser Restbedarf überwiegend durch konventionelle Kraftwerke bedient, deren Leistung je nach Bedarf angepasst wird. Auch Stromimporte aus dem Ausland sind eine Option. Beide Umstände erhöhen den Strompreis für den Endverbraucher.


Doch auch hier tut sich etwas:


Mittlerweile nimmt der Anteil der Erneuerbaren-Energien-Anlagen wie Bioenergie, Holzheizkraftwerke und Speicherkraftwerke zu. Diese helfen dabei, die Schwankungen der volatilen Erneuerbaren aufzufangen.


Zurück zu
Südlink:


Diese Direktverbindung soll dafür sorgen, dass mehr Windenergie auch tatsächlich ihren Weg zum Verbraucher findet und so ihren Kostenvorteil ausspielen kann.


So weit, so gut.


Der Streckenverlauf von Südlink


Die Südlink-Hochspannungstrasse wird von
Wewelsfleth in Schleswig-Holstein bis Großgartach in Baden-Württemberg verlaufen, eine Strecke von rund 700 km. Ein weiterer, mit 560 km etwas kürzerer Zweig soll von Wilster (Schleswig-Holstein) bis ins bayerische Bergrheinfeld führen.


Die größte Herausforderung wartet gleich zu Baubeginn: Die Unterquerung der Elbe! Geplant ist ein fünf Kilometer langer Tunnel, der 20 Meter unter dem Fluss verläuft und einen Durchmesser von vier Metern haben soll.

Südlink: Verlauf der Stromtrasse

Wird Südlink oberirdisch oder unterirdisch verlaufen?


Der Großteil der Strecke wird
unterirdisch verlaufen. Dabei werden die Kabelstränge in etwa zwei Meter Tiefe platziert.


Südlink: Ein paar technische Daten


  • Trassentyp: Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ)
  • Konverterstationen: Zwei, jeweils eine am Anfang und eine am Streckenende
  • Geplante Übertragungskapazität: 4 GW (entspricht dem Verbrauch von ca. zehn Millionen Haushalten)
  • Gewicht: ein Meter Kabel wiegt 42 kg
  • Kabeldurchmesser: 20 cm


Gegenwind für Wind: Widerstand und Kritik an Südlink


Wie es sich für ein deutsches Infrastrukturprojekt gehört, wurde auch Südlink von Anfang an massiv bekämpft und kritisiert.


Bedenken gibt es einige, zum Beispiel:


Entstehen gesundheitsgefährdende Magnet- und Spannungsfelder?

Was passiert mit dem Boden rund um das Kabel? Trocknet er aus?

Wie wirken sich die Kabel auf die Drainage von Feldern und den Anbau von Sonderkulturen aus?

Welche natürlichen Räume werden beeinträchtigt?

Wollen die Betreiber lediglich abkassieren?

Ist das Projekt überhaupt wirtschaftlich und im Sinne der Energiewende?

Sollte Energie nicht vielmehr dezentral und regional produziert werden?


Anwohner, Grundstücksbesitzer, Naturschützer, Landwirte, Jägerschaften und diverse Verbände – es waren und sind noch immer diverse Akteure involviert. Bei einer Strecke von rund 700 km und
über 20.000 betroffenen Grundstücken aber auch kein Wunder.


Sicher spielt auch das
Nimby-Phänomen eine Rolle. Nimby steht für “not in my backyard” und beschreibt ein bekanntes Phänomen:


“Grüner Strom? Na klar bin ich dafür, aber bitte verlegt das Kabel nicht bei MIR!”


Gerade im Süden Deutschlands gab es im wahrsten Sinne des Wortes
massiven Gegenwind. Der Widerstand gegen die ursprünglich geplante Überlandleitung war so stark, dass man sich am Ende für die Erdkabelvariante entschied. Diese Variante kostet übrigens rund eine halbe Milliarde Euro mehr...


Widerstand gegen Südlink

Nach jahrelangen Diskussionen scheint der Widerstand jedoch langsam abzuflauen. Viele Grundlagenverträge sind beschlossen und angesichts der jüngsten geopolitischen Verwerfungen scheint sich die Ansicht durchzusetzen, dass gewisse Investitionen in das eigene Stromnetz und die eigene Energieunabhängigkeit vielleicht gar nicht so schlecht wären.


Wann wird Südlink fertiggestellt?


Großprojekte in Deutschland? Da schießt einem sofort die
Liste des Grauens in den Kopf: Stuttgart 21, BER, Elbphilharmonie und und und. Jahrelange Verzögerungen und wahnwitzige Kostenexplosionen gehören hierzulande scheinbar dazu.


Und
Südlink? Sollte ursprünglich mal 2022 fertiggestellt werden und einen Teil der abgeschalteten AKW kompensieren.


Das neue Ziel heißt 2028. Nicht jeder Experte glaubt daran…


Ausblick und Fazit:


Südlink ist nicht das einzige große Energieinfrastrukturprojekt in Deutschland. Andere Trassen wie Süd-Ostlink, A-Nord oder Ultranet befinden sich ebenfalls in der Planung und sollen noch in diesem Jahrzehnt fertiggestellt werden.


Der Bau neuer Trassen ist die eine Sache, die weitere Modernisierung des Netzes die andere. In Verbindung mit den richtigen Preisanreizen können digitale Technologien die Effizienz des Netzes steigern. Hierzu zählen auch flexiblere Stromtarife, mit denen Kunden windreiche und sonnenreiche Tage besser als bisher ausnutzen können.


Insgesamt lässt sich am Südlink-Projekt die ganze
Komplexität des Themas erkennen. Klimaschutz, Naturschutz, private und wirtschaftliche Interessen treffen aufeinander. Langfristige Ziele kollidieren mit kurzfristigen.


Einfache Antworten gibt’s leider nicht.


Wir bleiben dran!


PS: Du willst frischen Wind reinbringen und Deine Zielgruppe elektrisieren? Dann musst Du nicht bis 2028 warten! Ich unterstütze Dein Marketing und Deine Kommunikation mit stürmischen Texten. Das Beste: Es gibt auch bei Großprojekten keine Verzögerung und garantiert keine nachträglichen Preisexplosionen…🙂


Quelle Titelfoto: Patrik Houštecký auf Pixabay

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